Am 24. Juli sitze ich also nach einem ausgiebigen Frühstück - ich habe Norah gebeten, mich am Morgen nicht zu wecken, herrlicher Luxus! - im Zug von Oberstdorf nach Ulm. Von da geht es über Wendlingen nach Hause. Es ist ein seltsames Gefühl zu wissen, dass die Reise vorbei ist. Ich bin froh, die Tour unternommen zu haben und weiß gleichzeitig: Nie wieder eine so lange Wanderung. Es war anstrengend. Nicht nur körperlich, auch psychisch: Oft nicht zu wissen, wo ich schlafen werde; fremde Menschen zu kontaktieren (das ist mir nie leicht gefallen und ich schiebe so etwas gerne); mich jeden Tag auf etwas Neues einzustellen; jeden Tag die Tour zu planen - all' das hat mich gefordert. Manche mögen sagen: Was soll's, kann ja nicht so wild sein. Denen antworte ich: Das mag für Dich so sein, für mich war es eben anstrengen. Probier' es gerne selber einmal aus.
Ich bin froh, wieder zu Hause zu sein. Zwar packt mich der Alltag recht schnell wieder, denn knapp 3 Monate ohne Pflege sieht eine Wohnung doch recht schnell eher verwahrlost aus, zumal sich die Spinnen wohl und wohler fühlen. Schwieriger als den Alltag zu bewältigen ist allerdings, wieder richtig anzukommen. Der Körper ist hier, die Seele noch unterwegs, zumal ich diese Zeilen natürlich erst nach meiner Rückkehr schreibe und damit nochmal in all die Erlebnisse eintauche: Sonne, Regen, Wind, Natur und frische Luft, Meer, Seen, Flüsse, plattes Land, Hügel, Berge, einfaches Essen und hervorragende Mahlzeiten, Hotels, Zelt, Dachgeber, 6 Bundesländer, die ehemalige Grenze zwischen DDR und BRD, stillgelegte Kernkraftwerke, 1390 Kilometer.
Worauf freue ich mich? Zu allererst auf die Menschen zu Hause: Familie, Freunde, Bekannte. Darauf, zu wissen, wo ich schlafen werde. Auf den Kühl- und den Kleiderschrank und deren Inhalte. Auf hemmungsloses Ausschlafen, meine Wohnung und darauf, Bekanntes um mich herum zu wissen.
Was wird mir fehlen? Die Langsamkeit des Alltags auf Wanderschaft.
Freunde und Verwandte stellen Fragen wie: "Was ist Dein nächstes Projekt? Dieselbe Tour nur andersrum?" Oder: "Was war die schönste Gegend, die Du gesehen hast?" "Welche Unterschiede hast Du bei den Menschen im Land festgestellt?" Die Antworten sind zum Teil leicht, zum Teil schwierig. Erstmal die leichten:
Ich werde die Tour sicher nicht wiederholen, auch nicht in umgekehrter Richtung. Dazu gibt es zu viel zu sehen. In Deutschland, in Europa, in der Welt. Ich bin zu neugierig. Ideen für weitere Touren habe ich auf jeden Fall: Deutschland von West nach Ost mit dem Fahrrad zum Beispiel. Das sind nur knapp 1000 Kilometer und müsste in drei Wochen gut zu machen sein. Mit mehr Besichtigungen vielleicht vier. Dann gibt es auf der Schwäbischen Alb den Hauptwanderweg 1, der von Tuttlingen nach Donauwörth. Knapp 400 Kilomter, also ebenfalls etwa drei bis vier Wochen. Und dann, wie gesagt, gibt es auch noch andere Länder ...
Die Frage nach der schönsten Gegend ist da schon schwerer zu beantworten. Zumal das ja auch eine Frage des eigenen Geschmacks ist. Ich habe entlang des Weges überall zauberhafte Landschaften gesehen, aber auch wenig attraktive Wege und Ortschaften. Was sich durch das ganze Land zu ziehen scheint ist eine Liebe zur Pflege des eigenen Hauses und Gartens. Natürlich gibt es lokale Besonderheiten - der raspelkurze Rasen in Norddeutschland, die üppigen Gärten in Bayern, reetgedeckte Häuser, Fachwerk, Klinkerbauten - aber es ist überall gepflegt. Umso erstaunlicher ist es, dass es meiner Wahrnehmung nach immer mehr Mitbürger gibt, die ihren Abfall fallen lassen, wo sie gerade stehen und gehen. Oder, schlimmer, absichtlich irgendwo abladen. Schade.
Um Unterschiede bei den Menschen festzustellen hatte ich wahrscheinlich zu wenig Zeit. Außerdem hatte ich ja meistens Kontakt mit Leuten, die entweder von Beruf oder aus Hobby und Interesse aufgeschlossen und gastfreundlich sind. Meine Erfahrungen waren durchweg positiv, und ich hoffe, dass ich selber von dieser Gastfreundschaft und dieser Offenheit mehr in meinen eigenen Alltag übernehmen kann.
Und dann hat die Wanderung bereits Nachwehen: Im November bin ich schon verpflichtet worden, einen kleinen Vortrag zu halten. Dann werden die Wochen wieder lebendig für mich werden, und vielleicht kommt damit auch neue Sehnsucht auf ...
Bis dahin erst einmal: Vielen Dank fürs virtuelle Mitwandern, für all die Rückmeldung, die Wünsche, das Durchhalten mit mir. Vielen Dank an alle Dachgeber, 1nitetenter, an Verwandte und Freunde für die Unterstützung; an alle, die ich auf dem Weg getroffen habe, die mir Hilfe angeboten haben, die durch ein Gespräch Abwechslung in den Tag gebracht haben.
Und selbstverständlich herzlichen Dank an die Freunde, die meine Pflanzen während der Monate gehegt und gepflegt haben - sie sehen alle prächtig aus!